Stefan
war sich nun sicher, dass er ein
eigenes Pferd haben wollte. Einen Kumpel, den er sich ganz allein
raussucht und die Verantwortung dafür trägt. Genauer gesagt:
eines, bei dem ich ihm nicht reinrede J
Zuerst
versuchten wir es über die
Regionalzeitung. Ein 10jähriges Wanderreitpferd wurde inseriert.
Ich nahm Kontakt auf und wir fuhren dorthin zum Probereiten. Das Pferd
'Bronco' stand in einem Wanderreitbetrieb und wurde viel bewegt. Der
Proberitt überzeugte. Das Pferd absolut geeignet für einen
Anfänger. Zuverlässig, cool, ruhig - ohne dabei langweilig zu
sein - und hübsch war er auch noch. Da es doch um eine rechte
Summe beim Pferdekauf ging, wollten wir auf Nummer Sicher gehen und
eine Ankaufsuntersuchung machen lassen. Mit dem Verkäufer kamen
wir klar und nahmen Bronco unter Vorbehalt des Untersuchungsergebnisses
mit.
Gina
freundete sich sofort mit ihm an.
Wir hatten die Tiere aber getrennt, um kein Risiko einzugehen. Sie
stand nur noch an der Abtrennung und rosste. Der TA kam dann nach zwei
Wochen. Bronco hatte sich super gut eingelebt und wir mochten ihn sehr.
Beim Reiten war es ein tolles Gefühl und Stefan kam gut klar. Bei
der Beugeprobe das niederschmetternde Ergebnis: Bronco war auf allen
vier Füßen positiv, d. h. nicht in Ordnung. Somit für
unseren Zweck nicht geeignet und Erkrankungen vorprogrammiert.
Ich dachte, mir zerspringt
das Herz. Der
Verkäufer war auch sehr überrascht, hatte aber selber noch
nie eine Untersuchung veranlasst. Die Kosten trugen wir. Mit
Tränen in den Augen und einer wiehernden Gina brachten wir Bronco
wieder zurück.
Daraufhin
inserierte ich selber in der
Zeitung und in der Koppel. Die Zeitung brachte wenig. Über die
Koppel bekamen wir einen 5jährigen Shagya-Araber angeboten. Sehr
gut ausgebildet und einwandfreier Charakter. Von ihm wussten wir, dass
er einen Chip (verkapselte Knochenabsplitterung, die ins Gelenk wandern
kann) und Hufrollenbefund hatte. Somit konnten wir uns die AKU sparen
und nahmen die damit verbundenen Risiken in Kauf. Probereiten war auch
hier einwandfrei und Stefan schöpfte neuen Mut.
Die Besitzer brachten uns den Wallach zur
Probe. Am nächsten Tag verlor er ein Eisen, somit war Reiten erst
mal ausgeschlossen, bis ein Hufschmied kam. Weitere drei Tage
später begann er zu husten. TA kam, teure Hustenbehandlung.
Gleichzeitig war er sehr schreckhaft in der neuen Umgebung, das sich
später vielleicht gelegt hätte. Nach neuem Beschlag stellten
wir beim Ausritt fest, dass er ständig den Kopf ruckartig auf den
Boden nahm, um seine Nase zu scheuern. Alles deutete auf Headshaking
hin. Das war dann trotz aller guten Argumente das AUS. Wir informierten
die Besitzer und sie holten ihn (ziemlich verschnupft) ab. Später
erfuhr ich, dass er für einen guten (besseren) Preis verkauft
wurde.
Die Suche
ging weiter. Über meine
Internet-Anzeige fand ich eine Appaloosa-Stute in Frankreich -
Nähe Saarbrücken. Das Pferdchen ist jahrelang auf
Wanderritten gegangen und hatte ein Jahr Weideurlaub, da die Besitzerin
mit Kindern, Hunden und noch einem Pferd ausgelastet war. Der Proberitt
auf dem untrainierten, unbeschlagenen Pferd führte dazu, da sie
auf allen Beinen lahmte. Lederhautentzündung, Muskelprobleme etc.
Wir vereinbarten, ein paar Wochen zu warten und dann die AKU zu machen.
Also suchten wir
einen TA aus Nähe
Saarbrücken, der bereit war, in einen Grenzort zu kommen und dort
die Untersuchung durchzuführen. Wir holten die Stute ab und trafen
uns in vereinbartem Reitverein. Bereits beim Vorführen zeigte sie
Wendeschmerz, der sich dann nach der Beugeprobe verstärkte. Beim
Longieren eindeutiges Lahmen. Der TA riet uns vom Kauf in diesem
Zustand ab. Wir bezahlten mal wieder die Untersuchung, brachten das
Pferd zurück und zogen unverrichteter Dinge und bodenlos
frustriert nach Hause. Wir wollten einige Wochen warten, ob sich die
Lahmheit besserte und dann nochmal untersuchen.
Kurze Zeit drauf erhielt ich ebenfalls
auf meine Koppel-Anzeige ein Angebot: 11jähriger Anglo-Araber, der
wegen Auswanderung verkauft werden sollte. Das war César!
Nicole, die Besitzerin,
hatte im April
bei einem Urlaub in Südafrika den Mann ihres Lebens getroffen und
wollte diesen im August heiraten und danach mit ihm nach Südafrika
auf die Schaffarm ziehen. (Mehr über Südafrika, Nicole und
die Schaffarm erfahrt ihr auf der gleichnamigen Seite).
Sie sandte uns Bilder und wir verliebten
uns sofort in César.
Wir vereinbarten ein Treffen
mit Nicole.
Gemeinsam fuhren wir auf die Jungpferdeweide nach ..., wo er ein halbes
Jahr gestanden hat. Wir hatten so die Nase voll, dass wir bereit waren,
das Pferd ohne AKU zu kaufen, falls er die selbst durchgeführte
Beugeprobe übersteht und beim Longieren nichts auffällig ist.
Auf der rechten Hand tickte er leicht, aber das konnte ja auch was
anderes sein, denn beim geradeaus laufen war nichts zu erkennen.
Lediglich die
Hufe waren etwas
außer Rand und Band und brauchten dringend einen Schmied. Wir
waren uns schnell einig und César kam mit in die Pfalz.
Nur einen Tag konnten wir
die Pferde
getrennt halten. César drängte zu Gina und Coco und suchte
Anschluss. Also bewaffneten wir uns mit Gerte etc. und öffneten
die Koppel in der Erwartung von Kompetenz-Gerangel. Doch - nichts
dergleichen passierte. Die drei grasten in aller Ruhe, als ob es noch
nie anders gewesen wäre.
Wir waren zufrieden und Stefan
glücklich mit der Entscheidung. Er hatte seinen Kumpel gefunden.
Als nächstes folgte die
Sattelsuche.
Stefan wollte einen Westernsattel. War gar nicht so einfach, aber
schließlich fanden wir das Richtige. Die Ausrüstung wurde
vervollständigt und wir machten die ersten Ausritte. Es war
herrlich und machte einen Riesenspaß.
Coco verließ uns dann Anfang
November. Der Winter wurde etwas ruhiger und im Frühjahr begannen
wir mit dem Training für die Wanderritte. Wir hatten uns wieder zu
einem Burgenritt über die Himmelfahrt-Feiertage bei Susanne
angemeldet.
Vorher nutzten wir die vier schönen
Ostertage für ausgiebige Tagesritte in unserer Umgebung.
César
hatte ein wenig Probleme beim Bergabgehen und wir befürchteten
eine Verletzung am Karpalgelenk. Zum Glück ergab das
Röntgenbild keinen Befund und wir vermuteten, fehlendes Training.
Am 9. Mai ging es los. Der Wanderritt
war ein Traum. Gina und César liefen ohne Probleme. Die beiden
waren
ein Herz und eine Seele. Lediglich unser Hänger machte uns Kummer.
Bei der Hinfahrt ruckelte er immer ganz furchtbar und wir dachten die
Auflaufbremse wäre defekt.
Beim Verladen für die Rückfahrt
rutschte César seitlich von der Rampe. Er trug
Transportgamaschen und
es war keine Verletzung erkennbar. Er lief zu dem Zeitpunkt auch noch
sauber.
Die Rückfahrt war die Fahrt
des
Grauens. In jeder Rechtskurve dachten wir, der Hänger fällt
um. Wir entschieden, den Hänger umgehend prüfen zu lassen.
Zuhause angekommen, mussten
wir
César
zwei Mal bitten, den Hänger zu verlassen. Wir liefen zur Koppel
und ich hatte den Eindruck, dass er leicht lahmte. Stefan meinte, ich
sähe Gespenster.
Auf
der Koppel dann, César stand
auf drei
Beinen und belastete sein rechtes Vorderbein nicht mehr. Ich konnte
nichts erkennen, keine Verletzung, keine Wärmebildung.
Abwarten bis zum nächsten
Morgen,
vielleicht nur bei der Hängerfahrt vertreten.
Der Morgen zeigte keine
Veränderungen und ich holte die TÄ. Sie machte
Röntgenaufnahmen und konnte sonst nichts Auffälliges
entdecken. Sie spritzte ihm sicherheitshalber Schmerzmittel und
Entzündungshemmer. Das Röntgenbild wurde am darauffolgenden
Tag ausgewertet.
Das
Ergebnis: Der Tierarzt teilte uns die
seltene Diagnose Verdacht auf 'Strahlbeinzyste' mit. Er wollte sich
selbst nochmal vergewissern und kam mittwochs wieder. Er untersuchte
alles gründlich, weil er nicht so recht daran glauben konnte, dass
César mit der Zyste problemlos auf dem Wanderritt lief und nun
hochgradig lahmte. Ich war zwischenzeitlich sicher, dass das Abrutschen
von der Rampe für das Auslösen der Lahmheit verantwortlich
war. Wir vereinbarten einen Termin für Freitag. Dann sollten wir
endgültig Gewissheit haben, ob die Zyste oder eine andere Ursache
für die Lahmheit verantwortlich war.
Unser Hänger war zwischenzeitlich in
der Reparatur und wir liehen uns einen Pferdehänger aus. Auch
dieser Hänger ruckte in den Rechtskurven. Da fiel uns ein
'César'.
Wahrscheinlich konnte er nicht ausbalanciert stehen und panikte in den
Rechtskurven. Unlogisch war daran nur, dass es bereits auf der Hinfahrt
zum Wanderritt aufgetreten war. (Der Hänger stellte sich als
vollkommen funktionstüchtig heraus.)
Die folgende Leitungsanästhesie
brachte Licht in das Dunkel und Dunkelheit in unsere Herzen. Es war die
Zyste und damit das Todesurteil, wenn nicht ein Wunder geschehen
würde. Die kirschgroße Zyste (eine Knochenzyste, die das
Strahlbein von innen heraus auffrisst) muss schon länger da
gewesen sein. Eventuell hat das Abrutschen von der Rampe einen Teil der
Zyste ausbrechen lassen. Die Sehne faserte an dieser Stelle bereits auf
(wie ein Seil am Felsen) und es war eine Frage der Zeit, wann die Sehne
komplett reißen würde. Auch die Hufrolle wies
Veränderungen auf. Der TA machte uns keine Hoffnungen. Trotzdem
spritzte er Hyaluronsäure. Eine starke Verbesserung in den
kommenden beiden Wochen könnte bedeuten, dass es nur eine akute
Sache war und César wieder reitbar wird. Falls nicht....
...es wurde nicht wieder.
Kurze Phase, in
denen wir uns einredeten, er liefe besser. Wir entschieden, er darf als
Gnadenbrotpferd stehen bis nichts mehr geht. Ich nahm Kontakt zu
Kliniken auf und klammerte mich an jeden Strohhalm. Doch alles verlief
erfolglos. In der Zwischenzeit wurden uns viele Dinge klarer, die auf
die Zyste und die Hufrollenveränderungen hingedeutet hatten. Das
Stehen mit vorangestellten Vorderbeinen (als wenn er in die Hose
gemacht hätte, die Weigerung bergab zu gehen, das Rumpeln im
Hänger etc)
Nach
drei Monaten war es dann sehr
schlimm. Er rastete kurzzeitig aus und galoppierte in voller
Lebensfreude wiehernd über die Koppel. Ich höre sein wiehern
jetzt noch in meinem Ohr. Kam zurück und war nur noch ein
Häufchen Elend. Er war ein so freundliches, lebendiges Tier auf
das in jeder Situation Verlass war, der eine solche Freude am Leben auf
der Koppel und bei anderen Pferden hatte. Es konnte keine andere
Entscheidung mehr geben um des Tieres Willen.
Also begannen wir wieder mal mit der
Suche nach einem Nachfolger, damit Gina nicht plötzlich alleine da
stand. Keiner von uns war richtig bei der Sache, denn immer noch hatte
uns die Hoffnung auf ein Wunder gestärkt. Es gestaltete sich
ähnlich wie im Sommer zuvor. Stefan wollte sich nun ein
Kaltblutpferd aussuchen. Diese Rasse gefällt uns beiden, sie passt
in den Pfälzer Wald und hat wenig Gemeinsames mit César.
Schlechte
Bedingungen für einen Pferdekauf. Die ersten Pferde waren nicht
geeignet.
Wir
fanden eine nette KB Stute, mit der
Stefan sich anfreunden konnte.
Annika, Süddt. KB (5jährig)
Die Entscheidung wegen César
konnte nicht
mehr warten. Wir diskutierten alle Tötungsmethoden und kamen zu
dem Ergebnis, dass César durch den Bolzenschuss beim Metzger
sterben
soll. Der Termin war auf den 22. August festgelegt.
Die AKU der Stute hatten wir
ein paar
Tage vorher terminiert. Leider fiel sie auch bei der AKU durch. Diesmal
haben wir aber vorher verhandelt, dass der Verkäufer die AKU
zahlt, falls das Tier durchfällt und wir haben sie nicht
mitgenommen, sondern vor Ort untersuchen lassen.
Wir waren so deprimiert. Die letzten
Tage
mit César und dann eine Pferdekauf-Entscheidung.
Am selben Abend rief Susanne an und
erzählte uns, von Patcho.
Am nächsten
Morgen war es soweit.
Wir verluden César und fuhren mit ihm nach Speyer. Es war ein
kleiner
sauberer Schlachthof. Ganz ruhig führte Stefan César bei
seinem
letzten Gang aus dem Hänger. Er wieherte nochmal laut als wollte
er was sagen und übergaben ihm dem Metzger. César blickte
sich
neugierig um. Wenige Schritte, ganz ohne Panik in den Raum, wo er
schließlich erschossen wurde. Der ohrenbetäubende Knall und
der Fall des geliebten Tieres war schrecklich. Trotzdem würden wir
es immer wieder so machen und das Tier bis zum letzten Atemzug
begleiten. Das sind wir ihm einfach schuldig.
Stefan ging nochmal zu César und
verabschiedete sich. Er schnitt noch eine Mähnensträhne ab,
an der er sich im Trab immer festgehalten hatte. Voller Schmerz fuhren
wir nach Hause. Auf der Koppel stand Gina, die die ganze am Zaun in die
Richtung blickte, in die ihr Kumpel morgens verschwunden war. Die
nächsten Tage war sie vollkommen teilnahmslos und lethargisch. Sie
hat ihn ganz sicher vermisst. Ab und zu kam ein leises Wiehern.
Wir werden César und die kurze
wunderschöne Zeit, die wir mit ihm verbringen durften nie
vergessen. Er wird immer in unseren Herzen bleiben. Und ich glaube an
die Regenbogenbrücke.